Christian Knull und sein Theater-von-Innen-Roman „Wir probten die Liebe“

Theatergruppen gibt es einige, einige viele. Für den normalen Besucher eines Theaters bleibt aber meist verschlossen, was da im Innern solcher Gruppen oder Ensembles passiert bzw. „abgeht“.

Feinsinnige Beobachter erkennen vielleicht Stress oder auch, dass A und B gar nicht so gerne miteinander spielen. Aber mehr? Sieht man von außen mehr?

Wir schön ist es dann, wenn ein Autor sich auf die Suche macht und die ganzen Anziehungen, Abstoßungen und Konflikte in einen feinen, kleinen Roman einbindet. 182 Seiten hat das Taschenbuch.

Es sind 12 Personen, die sich da am Stück „Der Reigen“ von Arthur Schnitzler versuchen. Gewiss, es sind Laien. Aber das nimmt diesem Roman gar nichts.

Knull beschreibt Person um Person. Wie jeweils eine Person von 12 Personen das Stück und die Proben sieht und erlebt. Jedes „Ich“ vermittelt seine Sicht der Dinge. 12 mal also. Hintereinander.

10 Schauspieler, 1 Regisseur und noch eine Dramaturgin. Und doch 1 Roman!

Jetzt geht der ganze Ärger nämlich los. Die Szenen müssen geprobt werden, oft auch privat. Denn Schnitzler hatte ja im Kern immer diese Zweier-Situation. A und B. ALSO EREIGNET SICH: Erotik, Liebe, Begehren. Verführung. Liebelei. Herumeiern. Im Stück, aber auch bei den Umsetzenden. Bei den Spielenden.

Zugleich trifft man sich in der offenbar Kölner Truppe als Gesamtes am Rhein oder auf Ameland (NL). Auch noch im lauschigen Sommer auf Terrasse und im Garten des einen Menschen, Steuerberater, der diesen älteren Porsche fährt.

Die Leserinnen und Leser spüren nun Schilderung um Schilderung, was da alles abgeht. Wo Gefühle eine Rolle spielen. Wer wen liebt oder mag oder nicht mag oder gar hasst? Aus welchen Gründen?

Auch die „Boss“-Frage spielt eine Rolle, das Quälen der Akteure. Etwas aus dem Stück herausholen wollen, aber natürlich im Sinne des Machers, der zugleich schwierig scheint. Welche Idee vom Schauspielen hat der Mensch? Wie soll ein Stück umgesetzt werden? Finden das die anderen denn gut?

Auf diese Weise ist man im Innern dabei, schaut in die Köpfe der einzelnen Personen, lernt Seite um Seite wieder mal so viel von der Psychologie des „kleinen Menschen“, den wir alle ja abbilden, in unserem Alltag, nicht nur diese motivierten Schauspieler bei ihren Proben.

Zugleich hat der Autor alle 12 Schilderungen der Einzelpersonen auch noch durch eine zusätzliche Handlung verknüpft. Und das ist gelungen!

Am Ende haben wir einen Theaterroman gelesen, einen Theatergruppenroman, einen „Ensembleroman“, wie der Autor im Untertitel mit dem Verlag festgelegt hat. Und eine gut erzählte Studie der Psychologie vom Tier namens Mensch. Denn Verstand ist nicht alles, so vieles geht in unseren Wesen noch zusätzlich ab. Vieles können wir nicht steuern, weil Unterbewusstsein, Prägung und Lebensschicksal mitmischen.

Wer immer ins Theater geht, wer immer Theater spielt … diesen Roman sollte man kennen. Eine einzigartige Erfahrung.

Christian Knull

Wir probten die Liebe

Ein Ensembleroman

ISBN 978-3-96290-024-3

Preis 12 Euro.

Autor: verlagsdinge

Bücher, die es zu lesen gilt. Lesen gilt immer.

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